Vom Sinn und Unsinn der Regionalforschung

Als wir in den späten 80er und frühen 90er Jahren zusammen mit anderen Forschern über ländliche Entwicklung in Niedersachsen gearbeitet haben - es war die erste Blütezeit der Regionalforschung - kamen mir und anderen Historikerinnen immer wieder Bedenken ob des Sinns unserer Unternehmungen. Was taten wir da eigentlich? Beobachten allein ging ja kaum, denn so wie wir dort waren, waren wir involviert, die Dinge änderten sich - meist nur unwesentlich, aber erkennbar - allein durch unsere Anwesenheit. Allein die Frage, mit wem wir sprachen oder nicht sprachen, spielte für die dörflichen Verhältnisse eine wichtige Rolle. Bei den eher soziologisch arbeitenden Kollegen hatten wir zudem immer den Eindruck, dass dort die Vorstellungen einer vermeintlich "richtigen" Entwicklung eine große Rolle spielte und die Einordnung konkreter Verhaltensweisen einen oft erheblichen analytischen Aufwand verursachten, dem aber - vorhersehbar - banale Erkenntnisse folgten. Mittlerweile schwappt eine neue Welle der interdisziplinär arbeitenden Regionalforschung durchs Land und sie ergießt sich vornehmlich auf sogenannte "benachteiligte Regionen" (mit Ausnahme des Oldenburger Münsterlandes, das dann gleich wieder zu enem Musterfall "richtiger" Entwicklung wird). Einen Eindruck von deren Arbeitsweise bietet ein Interview in der jüngsten Berliner Zeitung. Der "Soziologe und Bio-Landwirt" Andreas Willisch erklärt dort die Welt von Wittenberge. So fasziniert ich zunächst von dem Artikel war, so irritiert habe ich ihn am Ende weggelegt. Mal abgesehen von den beliebten Wortschöpfungen der Regionalforschung (früher war es mal die "eigenständige Regionalentwicklung", heute ist es der "Raumpionier"), bleibt mir völlig unklar, wer da was untersucht und zu welchem Zweck. Vielleicht ist es dann nicht nur der Interviewsituation geschuldet, wenn es am Ende nicht mehr um die Menschen in Wittenberge, sondern um die Befindlichkeiten des Interviewten geht.


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