Geschichte

Freitag, 1. März 2013

Wissenschaft trifft Laienforschung

 

In den 1980er Jahren haben wir in Niedersachsen ein damals einmaliges Projekt zur systematischen Heimatforscherfortbildung in Niedersachsen durchgeführt. Neben größeren Tagungen wurden zahlreiche Tages-, Wochenend- und Wochenseminare angeboten, eine Koordinationsstelle beim Niedersächsischen Heimatbund geschaffen und sogar eine eigene Schriftenreihe (die "Bausteine zur Heimat- und Regionalgeschichte" ins Leben gerufen - Ideengeber und Autor der ersten Bände war ich selbst …). Seitdem ist viel passiert, in der Heimatforscherfortbildung leider gar nichts. Weder neue konzeptionelle Ansätze sind erkennbar (Der "Heimatforscher" ist immer noch der nur aufzuklärende "Dumme", der Wissenschaftler der Aufklärer, der alles weiß - die Bezeichnungen sind geschlechtsneutral gemeint, in Wirklichkeit habe ich mehr mit Frauen zu tun gehabt als mit Männern! - ), noch neue Methoden. So ist das Internet immer noch weit weg, obwohl es zentrale Hilfsmittel anbietet  und neue Formen der Kooperation anbietet, die gerade für oft isolierte Laienforscher wichtig wären.

 

Ich benutze also den Begriff des Laienforschers und nicht des Heimatforschers und tue dies bewusst, denn die gemeinte Personengruppe zeichnet sich oft durch eine hohe Sachkompetenz aus, die wir Fachwissenschaftler bislang so gut wie gar nicht nutzen. Selbst im Netz bieten Genealogen und Laienforscher teilweise Informationen an, von denen die Fachkollegen profitieren können (etwa das Genealogienetz). Es geht mithin um gleichberechtige Beziehungen, bei denen die Rollen und Aufgaben der Beteiligten jeweils unterschiedlich sein können oder sogar sollten. Es sollte aber ein Dialog sein, nicht wieder ein Monolog werden. Das Netz wäre in diesem Kontext ein selbstverständlicher Bestandteil, ob in Form von Wikis, Blogs oder kollaborativem Arbeiten, je nach der zu lösenden Aufgabe.

 

Der Erste Weltkrieg könnte in diesem Kontext einen wichtigen Einstieg bilden (die Schaumburger Landschaft unterstützt schon ein kleines Projekt dazu), weil es nicht nur ein zentrales, bislang in Deutschland eher verdrängtes Geschehen abbildet, sondern für Laienforscher besondere Herausforderungen und Möglichkeiten bietet.

Freitag, 28. Oktober 2011

Das Dilemma

Vor über 20 Jahren erschien ein Buch über das „Gefälle“, die strukturellen Entwicklungsunterschiede zwischen Norddeutschland, insbesondere Niedersachsen, und dem Süden der Republik. Das Gefälle ist geblieben, aber was sind die Ursachen?
Als wir vor drei, vier Jahren an dem Handbuch zur Geschichte Niedersachsens geschrieben haben, diskutierten wir natürlich auch über diese Frage. Gerade eben hat einer unserer Studierenden eine Masterarbeit dazu abgegeben, in der ein langfristiger Vergleich der bayerischen und der niedersächsischen Entwicklung vorgenommen wird. Fragt man nach den Ursachen der abweichenden Entwicklungen - bei vergleichbaren strukturellen Voraussetzungen -, so rückt die frühe Phase des 19. Jahrhunderts in den Focus.

Carl-Hans Hauptmeyer betont in seinen Arbeiten die langen Linien der niedersächsischen Entwicklung. Das mag zwar insgesamt zutreffen, aber hier deutliche Einschnitte dürfen nicht vergessen werden. Der erste besteht darin, dass seit 1714 in Hannover kein Herrscher mehr aktiv Politik macht. Die Kurfürsten sitzen nicht mehr in Hannover und bauen dies zu ihrer Residenz aus, sondern in England. Hannover, das noch kurz zuvor repräsentativ ausgebaut wurde, etwa beim Herrenhäuser Garten, bleibt ein Jahrhundert gleichsam „stehen“, hier passiert nichts. Man vergleiche diese bescheidene Kleinstadt mit den Residenzen anderer Territorien!

Dieser Rückstand hätte aufgeholt werden können, wenn nicht nach 1800 die nächste Etappe „verpasst“ wurde. Hannover wurde mit der Gründung des Königreichs Westphalen praktisch mediatisiert und verlor seine staatliche Identität. Weder das ehemalige Territorium Hannover noch die Stadt Hannover spielten im Königreich Westphalen eine nennenswerte Rolle.

Völlig anders verlief die Entwicklung in Süddeutschland: Die Territorien von Bayern, Württemberg und Baden blieben nicht nur bestehen, sondern sie wurden dank vieler Mediatisierungen noch aufgewertet. Vergleichbares für Norddeutschland hätte bedeutet, dass zumindest Oldenburg und Schaumburg-Lippe einem neuen Königreich Hannover einverleibt worden wären. Die Personalunion mit England und die Bedeutung der Küste verhinderten eine solche Entwicklung schon im Ansatz. Die süddeutschen Territorien profitierten aber nicht nur territorial, sondern sie reagierten auf die räumlichen Gewinne mit einer systematisch betriebenen inneren Politik: Aus den neuen Gebilden sollten einheitliche, bei der Bevölkerung akzeptierte Territorien, moderne Staaten werden. Ging demnach in Süddeutschland von der französischen Zeit ein wichtiger Impuls für eine moderne Staatlichkeit aus, so unterblieb er in Niedersachsen vollkommen.

Nach 1814 öffnete sich die Schere sogar weiter, denn in Hannover (und in Oldenburg, auch in Braunschweig) wurde die Restauration nicht genutzt, um den staatlichen Vorsprung des Südens aufzuholen, sondern die alten Strukturen wurden restauriert! Und in Hannover gab es noch immer kein politisches Zentrum. Der einzige Bereich, in dem sich der Norden hervortat, waren die Agrarreformen. Zwar bedeutete die Restauration auch hier einen herben Rückschlag, aber die Gemeinheitsteilungen wurden weiter betrieben und ab 1831 auch systematisch die Ablösungsgesetzgebung forciert. An der strukturellen Schwäche Niedersachsens änderte dies aber gar nichts.

1837 gab es dann endlich wieder einen in Hannover residierenden Herrscher. Nur war dies ein alter konservativer Mann, der keinerlei Neigung zeigte, das Land konzeptionell weiter zu führen. Abigail Greens Untersuchung zu Fatherlands zeigt, dass im Vergleich zu anderen deutschen Mittelstaaten, in Hannover die Neigung am geringsten ausgeprägt war, ein eigenes Staatsgefühl zu entwickeln. Die beiden hannoverschen Könige blieben ihren eigenen Interessen, nicht denen ihres Landes verbunden.

Damit erwies sich die Peronalunion über ihr Ende hinaus für das Land und die Stadt Hannover als eine fatale Richtungsentscheidung. Als entscheidende Folgen wären zu benennen:
- Hannover als Residenzstadt erfährt gerade in den Phasen, in denen andere Städte ausgebaut wurden, kaum Förderung und damit Weiterentwicklung.
- Das Land Hannover als „Kernland“ des späteren Niedersachsen bleibt blass, die anderen beiden größeren, aber deutlich kleineren Territorien Oldenburg und Braunschweig haben nicht nur eigene Residenzstädte, sondern verfügen über eine politische Führung, der es deutlich besser als der in Hannover gelingt, auf das Land bezogene Entwicklungspolitik zu betreiben. Insbesondere in Oldenburg, dem es nach 1803 gelingt, den katholischen Landesteil systematisch zu integrieren, zeigt, welche Chancen für ein geschickt agierendes Land damals bestanden.

Hannover entwickelt sich als Stadt dennoch im 19. Jahrhundert zur führenden Industriestadt, bemerkenswerterweise aber erst in der preußischen Zeit. Jetzt kann diese Stadt endlich ihr Potenzial entfalten, allerdings wird die hannoversche Entwicklung weiterhin nicht von einer hier beheimateten Politik unterstützt, was sich in Krisenzeiten wiederum negativ auswirkt, ganz im Gegensatz zu Bayern, wie die gerade vorgelegte Masterarbeit von Andreas Frieling belegt.

Diese strukturellen, langfristigen Verhältnisse bleiben bis heute prägend: Hannover als Landeshauptstadt agiert meist schwach, wie gerade am Abzug der Panzerdivision 1 nach Oldenburg zu sehen ist, die Regionen sind stark.

Genannte Literatur:
Gerhard Becher, Das Gefälle : internationale Arbeitsteilung und die Krise der Regionalpolitik (Braunschweig: Steinweg, 1986).
Abigail Green, Fatherlands: state-building and nationhood in nineteenth-century Germany (Cambridge [u.a.], 2001).
Carl-Hans Hauptmeyer, Geschichte Niedersachsens (München: Beck, 2009).
Gerd Steinwascher, Hrg., Von der Weimarer Republik bis zur Wiedervereinigung (Hannover: Hahn, 2010).

Sonntag, 10. April 2011

Der rote Mantel

Ein Interview mi dem stellvertretenden Chefankläger gegen im Prozess gegen Adolf Eichmann in der Berliner Zeitung. Neben einiger Kritik an Hannah Arendt (für Bach war Eichmann kein kleiner Befehlsempfänger und auch kein schlichter Bürokrat) eine kleine, aber sehr eindringliche Geschichte.

Freitag, 8. April 2011

Walter Ballhause

Eigentlich habe ich etwas anderes gesucht, aber durch Zufall bin ich auf Walter Ballhause gestoßen, der durch seine Fotos aus den frühen 30er Jahren zu den Folgen der Weltwirtschaftskrise in Hannover berühmt geworden ist: Walter Ballhause-Archiv mit Fotos, Wikipedia-Artikel und Eintrag im LeMO.

Sonntag, 13. März 2011

Landeskundliche Daten

Das HGIS-Portal der Uni Mainz bietet in Fülle von Informationen insbesondere zur Geschichte des 19. Jahrhunderts. Etwas versteckt, aber als erste Information zu deutschen Staaten, Provinzen und Regierungsbezirken sowie "Staatenwelten" (dahinter verbirgt sich nicht nur der Deutsche Bund oder das Deutsche Reich sondern auch die diversen Zollvereine) eine gute Informationsmöglichkeit.

Sonntag, 30. Januar 2011

the world lecture project

Wer nach Videos von Vorlesungen sucht, sollte neben iTunes auch bei wlp nachsehen. Unter dem Suchwort "History" finden sich derzeit 116 Einträge.

Montag, 24. Januar 2011

Die aktuelle Debatte


um die Landwirtschaft wirft die Frage nach Alternativkonzepten auf und in den Feuilletons der Zeitungen schimmert dann immer wieder der Rückgriff auf die Vergangenheit durch, so, als sei es die moderne Landwirtschaft, die eine gesunde Ernährung verhindere. Nun liegt hier einiges im Argen, daran besteht kein Zweifel, nur gibt es nicht die einfachen Konzepten und ein Rückgriff auf die Vergangenheit läßt die aktuelle Entwicklung vielleicht deutlicher hervortreten, bietet aber keine einfachen Lösungsansätze. Dafür sind - allein aus einer europäischen Perspektive - vornehmlich drei Gründe anzuführen:

Zum einen: In der Vormoderne, damit auch vor der Existenz der industriellen Landwirtschaft, haben die Menschen nicht besser gelebt, sondern wesentlich einfacher und oft deutlich schlechter. Die Qualität der meisten Lebensmittel war meist gering, zuweilen gesundheitsgefährdend. Was "damals", also zumindest vor 1800 von den einfachen Menschen gegessen wurde, würde heute kaum jemand akzeptieren. Zudem war die Auswahl an Lebensmitteln sehr begrenzt, die meisten lebten zwischen 1600 und 1800 vornehmlich von Getreide und Breien, dazu Bohnen und Erbsen. Selten gab es Fisch oder Fleisch. Übrigens war die fleischarme Ernährung noch bis weit in das 20. Jahrhundert der Standard bei großen Teilen auch der mitteleuropäischen Bevölkerung.

Zum anderen: Nahrungsmittel waren nicht nur von geringer Qualität, sondern sie waren knapp. Der Titel eines Klassikers der Wirtschaftsgeschichtsschreibung von Wilhelm Abel "Massenarmut und Hungerkatastrophen" zeigt dies sehr anschaulich. Selbst in Mitteleuropa bildeten Hungersnöte bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts eine der ganz großen Plagen der Menschen. Danach setzte ein Prozess ein, der nach und nach die Ernährung der Menschen in Europa verbesserte (aber lange noch weit von den Standards weg war, die wir heute kennen), während sich in anderen Teilen der Welt teilweise katastrophale Hungerszenarien abspielten.

Und zum dritten: Selbstversorgung spielte zwar in der "alten" Landwirtschaft eine wesentlich größere Rolle als heute (und noch bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts). Aber sie sicherte nicht das Überleben der Menschen. Marktbeziehungen konnten Forscher wie Wilhelm Abel schon spätestens seit dem Mittelalter nachweisen. Die Höhe der Getreidepreise entschied dabei nicht nur über Sattwerden, Hungern oder gar Verhungern, sondern auch über Wohlstand oder Armut. Es gab überregionale und regionale Getreidemärkte. Die überregionalen litten zwar unter den hohen Kosten für Verkehr und Zöllen, aber es gab sie. Die regionalen bestanden nicht nur zwischen Stadt und Land, sondern auch zwischen einzelnen Regionen. So gab es sowohl in Flandern, aber auch in Ostwestfalen Gebiete mit vorrangiger Landwirtschaft und solchen, in denen die meisten Menschen im Heimgewerbe arbeiteten und ihre Produkte für überregionale Märkte verkauften. Sie waren wiederum auf den Ankauf von Lebensmitteln angewiesen, die von den Bauern in der Nachbarschaft geliefert wurden.

Das sind nur ein paar Anmerkungen, sie zeigen aber: Landwirtschaft auch in der Vormoderne war wesentlich komplexer und marktorientierter als dies manche heute gern sähen.

Wenn man ganz radikal sein will, dann erhebt sich die Frage, ob der Übergang von den Jägern und Sammlern zu den Bauern nicht die entscheidende Verschlechterung darstellte. Jared Diamond hat sie jedenfalls vor ein paar Jahren gestellt, aber dies wieder eine andere Frage.
Diamond, Jared (2007): “The Worst Mistake in the History of the Human Race.” http://www.mnforsustain.org/food_ag_worst_mistake_diamond_j.htm

Die zitierten Bücher von Wilhelm Abel sind:
ABEL, Wilhelm: Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Europa. Versuch einer Synopsis. Hamburg und Berlin: 1974.
ABEL, Wilhelm: Agrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land-und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter. Berlin: 3. Auflage. Aufl. Parey, 1978.

Mittwoch, 19. Januar 2011

Diskussion mit Moshe Zimmermann zu "Das Amt" in Hannover

Aufgrund der anhaltenden Debatte um das in Buchform gebrachte Ergebnis der Historikerkommission zur Beteiligung des Auswärtigen Amtes an den nationalsozialistischen Verbrechen veranstaltet die Rosa-Luxemburg-Stiftung mit Moshe Zimmermann, einem der vier Autoren der Studie, im Januar und Februar eine Lesereise. Am Montag den 24.01 um 19 Uhr findet daher in Hannover im Pavillion am Raschplatz unter der Leitung von Prof. Joachim Perels eine Diskussion mit Zimmermann statt.

Sonntag, 9. Januar 2011

Plagiatsfragen

Eine Übersicht mehrerer Websites zum Thema Plagiat bei Archivalia.

Freitag, 3. Dezember 2010

Bürgerkriegsfotos

Archivalia verweist auf Bürgerkriegsfotos bei flickr. Bei den Fotos handelt es sich um Porträtaufnahmen.

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