Montag, 10. September 2007

Geschichte in Museen

Die Thomas-Morus-Akademie hat im August eine Tagung zum Thema "Magie der Geschichte" durchgeführt, über die jetzt H-Soz-Kult berichtet. Der Tagungsbericht weist die Spannweite der unterschiedlichen Ansätze auf, wie Museen sich der Herausforderung der Geschichtsvermittlung zwischen kritischer Auseinandersetzung mit Konstruktionen von Vergangenheit und dem - offenkundigen oder vermuteten? - Unterhaltungsbedürfnis der Besucher stellen. Angesichts des hohen theoretischen Aufwandes, der in Deutschland um historische Museen getrieben wird, überrascht immer wieder, wie unambitioniert, im Detail fragwürdig und in der Gesamtpräsentation eher veraltet wirkend, sich häufig deutsche Museen dem Besucher stellen. Zwischen theoretischer Überlegung und konkreter Verwirklichung liegt häufig ein tiefer Graben, den es vielleicht einmal stärker auszuloten gäbe, als dies auch in der genannten Tagung geschehen ist. Ein Beispiel dafür liefert die Ballinstadt in Hamburg, insbesondere die "Erlebnis-Ausstellung zum Thema Auswanderung", wie es auf der eigenen Hompage heißt. Das, was auf dem Papier bzw. Bildschirm noch überzeugend klingen mag, entpuppt sich beim Besuch als eine tönende, lärmende Melange an Texten, Bildern, Tönen, Assoziationen. Struktur, Konzept, kritischer Umgang mit den Themen, Texten und Objekten haben wir (drei Hannoverander Historiker) vergeblich gesucht. Einige der Installationen ließen uns ratlos zurück, bei anderen stimmten die Bilder und Argumente nicht (wer von Bord eines Auswandererschiffes ging und kurz vor der Ankunft in New York stand, dürfte kaum an Heimat und Heimweh gedacht haben; warum gerade ein animiertes Pferd das New York des späten 19. Jahrhunderts symbolisieren soll, bleibt unergründlich). Irgendwie ist eben alles Auswanderung, Migration, Bewegung. Nachdenken, Zusammenhänge herstellen, Konstruktionen als solche sehen - und in Frage stellen - das alles haben wir vermißt. Statt dessen wird eine konstruierte Welt dem Besucher geboten.

Dass Wissenvermittlung auch die Herstellung eines gemeinsamen Vorwissens voraus setzt, wurde bei dieser Präsentation völlig übersehen. Vielleicht hätte man mit dem Museum für Hamburgische Geschichte kooperieren soll, das in seiner ebenfalls neu eröffneten Ausstellung "Aufbruch in die Moderne" (als Reaktion auf die Ballinstadt?) mit zwei kurzen, aber sehr gelungenen Einführungen zum Thema Auswanderung und Einwanderung beginnt und dem Leser die Chance gibt, das Folgende zu verstehen und einzuordnen. Allerdings waren wir hier fast allein, während die Ballinstadt zumindest am Vormittag von Schulklassen und rüstigen Rentnern gerade überrannt wurde. Sucht das Publikum also doch die schnelle Abwechslung oder fällt es schneller auf Marketing herein, denn die Ballinstadt wirbt gleich mit günstigen Bahnfahrkarten auf ihrer Homepage.


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