Die Idee, in Berlin ein vor über 50 Jahren gesprengtes Stadtschloß wieder aufzubauen und dafür ein vorhandenes Gebäude abzureißen, wollte mir noch nie einleuchten. Was ich neben der mangelhaften Sensibilität für Geschichte und Identität dabei störend fand, war die absolute Unfähigkeit, mit Erfahrungswerten zu arbeiten. Die Naivität, wie Politiker und Planer so tun, als würden irgendwelche Schätzwerte über Baukosten etwas mit der Realität zu tun haben, verblüfft immer wieder. Und so finde ich es nicht überraschend, dass der Bundestag nun den Bau des "Stadtschlosses"
stoppen will, die Kosten drohen jetzt schon auszuufern. Statt mit 480 Millionen rechnet man nun mit 600 Millionen Baukosten, jetzt, obwohl der alte "Palast" noch immer nicht völlig abgerissen ist! Wie schnell würden diese Kosten noch erst steigen, wenn man wirklich anfangen würde, zu bauen. Aber egal, der Palast kommt weg. Die berliner Stadtplaner haben zwar immer wieder über die Vernichtung historischer Bauwerke in der Stadt gejammert, aber damit haben sie nur die politisch-historisch korrekten gemeint, die auf die gute deutsche Geschichte des Kaiserreichs und der preußischen Residenzstadt verweisen.
Die "andere" deutsche Geschichte wird unter Verweis auf das Unrechtsregime der DDR beiseite geräumt. Handelt es sich um andere Bauwerke, ist man großzügiger, wie im Falle des Finanzministeriums. Unabhängig davon finde ich es interessant, wie sehr unsere Architektur-Ästheten, die sich darüber ereifern, dass die "Mitte" Berlins architektonisch ansprechend gestaltet sein müssen, es nun schon seit Jahren hinnehmen, dass diese Mitte einer der hässlichsten Orte der Stadt ist und es wohl auch auf absehbare Zeit bleiben wird.
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KHSchneider - 19. Sep, 22:22