Dienstag, 29. April 2008

Arbeitserfahrungen

In seinem Blog vom 14.4. fragt Peter Haber u.a.: "Wieweit war damals (Mitte der 1990er; KHS) meine Arbeitsweise geprägt durch das, was wir heute
mit «Digitalisierung» bezeichnen? Was wäre anders, wenn ich die beiden
Bücher heute schreiben würde? Und was hätte ich vor zum Beispiel
dreissig Jahren, als die Generation unserer Väter ihre Dissertationen
geschrieben hat, aufgrund der technischen Gegebenheiten nicht oder
anders geschrieben?" Darauf kann ich nur eine begrenzte Antwort geben, fühle mich aber zu meiner Überraschung als Angehöriger der Vätergeneration, denn an meiner Diss. habe ich 1978-1981 gesessen. Der Arbeitsprozess damals war auf das Papier ausgerichtet, die Schreibmaschine mein Arbeitsgerät, ein Taschenrechner musste alle Berechnungen übernehmen, sehr zu meiner Verzweiflung, denn die Berechnungen mussten mehrmals überprüft werden.

Als ich 15 Jahre später an meinen Schaumburg-Büchern gesessen habe, konnte ich schon für die Archivarbeit ein Notebook benutzen, ein Toshiba 1100, wenn ich mich richtig erinnere, ein schönes, schnelles Teil. Schon früh habe ich versucht, elektronisch Zettel anzulegen, damals mit MS Works (noch in der DOS-Version). Das Programm ist leider immer unterschätzt worden. Zur Zettelverwaltung war die Datenbank zwar nur begrenzt nutzbar, weil die Felder maximal 256 Zeichen umfassen durften und deshalb längere Texte in mehrere Felder aufgeteilt werden mussten, aber das zwang auch zu kurzen Texten. Gerade bei der Auswertung meiner Archivarbeit war die Datenbank sehr hilfreich. Für statistische Auswertungen konnte ich das Datenbankmodul bzw. den eingebauten Reportgenerator intensiv nutzen. Der Fortschritt gegenüber der Diss war erheblich, auch wenn ich noch vieles eher provisorisch gemacht habe. Teilweise habe ich für Landkarten mit eingezeichneten Informationen sogar eine Folie auf den Bildschirm geklebt und dann abgezeichnet. Das dann schon mit AmiPro zu Win 3.1 Zeiten. AmiPro war bis auf ein paar Bugs ein geniales Programm, systematisches Arbeiten mit Formatvorlagen konnte man damit wunderbar lernen.

Was mich aber gestört hat in diesen Jahren war der Bildschirm, der sich zwischen mich und meinen Text "gelegt" hat; da war etwas anders als bei der Schreibmaschine, mich hat dieser Bildschirm, der Rechner, die Textverarbeitung Anfang sehr irritiert. Es war ein Gefühl der Verfremdung und der Entfremdung, das sich nur langsam legte. Gerade Anfang der 90er Jahre waren die Bildschirme von einer grausigen Qualität (ich hätte mir damals nicht vorstellen können, dass es Bildschirme von der Qualität wie es sie heute üblich ist, je geben würde), aber das allein war es wohl nicht, sondern eben diese technische Vermittlung. Es hat bei mir lange gedauert, bis ich mich, bei aller Begeisterung für die neue Technik, an dieses Arbeiten gewöhnt hatte. Heute kommt es mir seltsam vor, aber ich denke, dass das Lesen und Schreiben am Bildschirm eine Kulturtechnik ist, für die wir konditioniert werden müssen. Was auch die Arbeit erschwert hat, war der Lärm, den mein damaliger Rechner produzierte, es war schon eine echte Herausforderung an meine Konzentrationsfähigkeit. Works als Datenbank wurde übrigens schon bald durch Filemaker Pro, damals in der Version 2.1 in der Windows-Version ersetzt, mit dem ich meine Notizen besonders im Archiv dann verwaltet habe.

Ein weiterer, erheblicher Unterschied zu heute war das Fehlen des Netzes. Alle Daten lagen analog vor, eine Internetrecherche war undenkbar. In Hannover gab es nicht mal einen vernünftigen OPAC, der NMN, der Niedersächsische Monographien Nachweis war noch weit, weit von der Qualität des heutigen GBV entfernt.

Mein aktuelles Buch über die Bauernbefreiung versuche ich übrigens mit einem amerikanischen Autorenprogramm, Scrivener, zu schreiben, das es erlaubt, den Text gewissermaße auf mehreren Ebene zu entwerfen, wobei der Schreibprozess durch unterschiedliche Hilfen unterstützt wird. Erst in einem weiteren Schritt wird dann das Ergebnis in einer traditionellen Textverarbeitung weiter bearbeitet.

Der Mythos von den Internet erfahrenen Studierenden

In mehreren Veranstaltungen zur Nutzung der EDV für Studierende stoßen wir immer wieder auf das gleiche Phänomen: Studierende sind in der Nutzung des Internet für wissenschaftliche Zwecke offenbar überfordert. In der Lehre wird ihnen diese Nutzung kaum vermittelt, aus der Schule haben sie keine Erfahrungen mitgebracht, woran sich in den letzten Jahren nicht viel verändert hat.

In unserem letzten Web 2.0-Seminar wurde auch deutlich, dass die vorhandenen wissenschaftlichen Angeboten, wie etwa clio-online, hohe Einstiegshürden aufbauen, die Studierende nur selten überwinden können. Die Angebote an wissenschaftlichen Informationen und/oder digitalisierten Inhalten sind mittlerweile zwar sehr umfangreich, aber nur schlecht erschlossen, so dass eine schnelles "Nachschlagen" kaum möglich ist. Insofern brauchen wir genauso wie zu analogen Zeiten systematische Einführungen und Übungen, damit Studierende entsprechend ihren Anforderungen sinnvoll mit den Informationen umgehen, sie vor allem finden und richtig bewerten können. Das setzt allerdings auch Lehrende voraus, die das Netz systematisch nutzen und bereit sind, ihr Wissen weiter zu geben. Ist das nur meine Wahrnehmung oder ist deren Zahl wirklich so gering?

Wenn diese Beobachtungen stimmen, dann wundert auch nicht mehr, wenn die Wikipedia so gern genutzt wird, denn wer einerseits in seinem privaten Umfeld das Internet gern nutzt und es dann auch für sein Studium nutzen möchte, dies aber angesichts der beschriebenen Hürden nicht tun kann, wird fast zwangsläufig beim einzigen "halb-wissenschaftlichen" Informationsangebot, der Wikipedia, landen.

Wir brauchen, wie ich finde, dringend verbesserte und systematisch vermittelte Internetkompetenz für wissenschaftliche Zwecke, zunächst in einführenden Veranstaltungen, aber auch als begleitender, selbstverständlicher Teil der Lehre. Analoge und digitale Medien stehen ja nicht in Konkurrenz zueinander, sondern sie ergänzen sich, sind teilweise, siehe Google Books, gar nicht mehr voneinander zu trennen.

Noch eine Beobachtung: Angesichts dieses subjektiven Befundes wundert es kaum, dass Literaturverwaltungsprogramme wie Zotero, Litlink oder Bibliographix, die ja längst mehr sind als Programme zur Verwaltung von Literaurtiteln bei den Studierenden kaum bekannt sind.

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