Digitalisierung
Nicht ganz aktuell, aber gerade angesichts der aktuellen Entwicklung um Guttenberg wichtig: Hinweise von Klaus Graf zur Retrodigitalisierung.
Nicht ganz aktuell, aber gerade angesichts der aktuellen Entwicklung um Guttenberg wichtig: Hinweise von Klaus Graf zur Retrodigitalisierung.
... wie immer wieder nur darauf verwiesen wird, es sei so einfach, Texte aus dem Internet zu übernehmen. Mag ja stimmen, aber es war auch noch nie so einfach, solche Textübernahmen zu finden. Das Plagiat ist nicht neu, nur die Spielregeln haben sich geändert. Ansonsten gibt es genug im Netz über den Fall zu lesen - so dass es sich nicht lohnt, hier auch noch zu schreiben.
eine große Überraschung: eines der wichtigsten Ministerien der Nazis war in die Verbrechen "verstrickt", wie die FAZ jetzt meldet. Nun finde ich wirklich nicht, dass wir genug zur Geschichte des Nationalsozialismus geforscht haben. Aber diese effektheischenden Veranstaltungen sind eine andere Sache. Vielleicht muss die Öffentlichkeit ja immer wieder Dinge neu entdecken - während die Forschung schon weiter ist.

Ein nebenbei formulierter Satz in einem Radio von DR über die abgelegene Provinz brachte mich auf den Gedanken, dass das überlieferte Konzept von "Provinz" in Zeiten der Globalisierung und der transnationalen Geschichte überholt ist. Es nimmt die Perspektive des zentralisierten Staates ein, der Blick von der zentralen Residenz, dem Machtzentrum des Staates auf die heterogene und widerspenstige Provinz, die damit auch als eine rückständig eingestuft wurde. Dieses Konzept von Provinz war von Beginn an problematisch, da einseitig. Mit einer Akteurs bezogenen Wahrnehmung von Geschichte müssen auch Konzepte von Provinz entsprechend angepasst oder sogar stark eingeschränkt werden. Zentrale Orte, insbesondere Hauptstädte, spielen zwar für die Akteure eine wichtige Rolle, aber nur in einem begrenzten Umfang. Zwar bilden sie eine hohe Anziehungskraft für Migranten, für alle anderen können sie aber auch lediglich auf die Funktion von wichtigen Relaisstationen für Verkehr oder Nachrichten herab sinken - oder ohne jede Bedeutung sein. Lassen wir die staatliche Perspektive bei Seite, dann agierten Menschen zwar in Netzwerken, aber diese übersprangen sowohl staatliche Grenzen wie sie gleichzeitig zentrale Orte nur funktional im oben genannten Sinne nutzten. Funktionale Zentren waren etwa Hafenstädte. Dieses schon für die frühe Neuzeit funktionierende Konzept hatte zur Folge, dass Menschen aus der "Provinz" "international", d.h. inter- und transregional agierten. Sie standen in netzwerkähnlichen Kommunikationsstrukturen, die unabhängig von Zentren existierten. Region, nicht Provinz, und Transregionales (besser als Transnationales) standen nicht in Widerspruch, sondern waren zwei Seiten einer Medaille. Spannend an dieser Stelle ist auch die Frage, ob nicht digitale Medien und vor allem vernetztes Arbeiten neue Chancen bieten, die klassische archivalische Perspektive aufzugeben und nun wirklich den Akteuren "zu folgen", d.h. komplexe Prozesse für größere Gruppen von Akteursgruppen erfassen und auswerten zu können. Peter Haber hat dazu kürzlich in der NZZ einige interessante Überlegungen angestellt (den Hinweis verdanke ich http://weblog.histnet.ch/archives/5037.
Studierende des Historischen Seminars haben Teile der Stadtgeschichte Laatzens im 20. Jahrhundert untersucht und die Ergebnisse online gestellt.
um die Landwirtschaft wirft die Frage nach Alternativkonzepten auf und in den Feuilletons der Zeitungen schimmert dann immer wieder der Rückgriff auf die Vergangenheit durch, so, als sei es die moderne Landwirtschaft, die eine gesunde Ernährung verhindere. Nun liegt hier einiges im Argen, daran besteht kein Zweifel, nur gibt es nicht die einfachen Konzepten und ein Rückgriff auf die Vergangenheit läßt die aktuelle Entwicklung vielleicht deutlicher hervortreten, bietet aber keine einfachen Lösungsansätze. Dafür sind - allein aus einer europäischen Perspektive - vornehmlich drei Gründe anzuführen:
Zum einen: In der Vormoderne, damit auch vor der Existenz der industriellen Landwirtschaft, haben die Menschen nicht besser gelebt, sondern wesentlich einfacher und oft deutlich schlechter. Die Qualität der meisten Lebensmittel war meist gering, zuweilen gesundheitsgefährdend. Was "damals", also zumindest vor 1800 von den einfachen Menschen gegessen wurde, würde heute kaum jemand akzeptieren. Zudem war die Auswahl an Lebensmitteln sehr begrenzt, die meisten lebten zwischen 1600 und 1800 vornehmlich von Getreide und Breien, dazu Bohnen und Erbsen. Selten gab es Fisch oder Fleisch. Übrigens war die fleischarme Ernährung noch bis weit in das 20. Jahrhundert der Standard bei großen Teilen auch der mitteleuropäischen Bevölkerung.
Zum anderen: Nahrungsmittel waren nicht nur von geringer Qualität, sondern sie waren knapp. Der Titel eines Klassikers der Wirtschaftsgeschichtsschreibung von Wilhelm Abel "Massenarmut und Hungerkatastrophen" zeigt dies sehr anschaulich. Selbst in Mitteleuropa bildeten Hungersnöte bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts eine der ganz großen Plagen der Menschen. Danach setzte ein Prozess ein, der nach und nach die Ernährung der Menschen in Europa verbesserte (aber lange noch weit von den Standards weg war, die wir heute kennen), während sich in anderen Teilen der Welt teilweise katastrophale Hungerszenarien abspielten.
Und zum dritten: Selbstversorgung spielte zwar in der "alten" Landwirtschaft eine wesentlich größere Rolle als heute (und noch bis in die 50er Jahre des letzten Jahrhunderts). Aber sie sicherte nicht das Überleben der Menschen. Marktbeziehungen konnten Forscher wie Wilhelm Abel schon spätestens seit dem Mittelalter nachweisen. Die Höhe der Getreidepreise entschied dabei nicht nur über Sattwerden, Hungern oder gar Verhungern, sondern auch über Wohlstand oder Armut. Es gab überregionale und regionale Getreidemärkte. Die überregionalen litten zwar unter den hohen Kosten für Verkehr und Zöllen, aber es gab sie. Die regionalen bestanden nicht nur zwischen Stadt und Land, sondern auch zwischen einzelnen Regionen. So gab es sowohl in Flandern, aber auch in Ostwestfalen Gebiete mit vorrangiger Landwirtschaft und solchen, in denen die meisten Menschen im Heimgewerbe arbeiteten und ihre Produkte für überregionale Märkte verkauften. Sie waren wiederum auf den Ankauf von Lebensmitteln angewiesen, die von den Bauern in der Nachbarschaft geliefert wurden.
Das sind nur ein paar Anmerkungen, sie zeigen aber: Landwirtschaft auch in der Vormoderne war wesentlich komplexer und marktorientierter als dies manche heute gern sähen.
Wenn man ganz radikal sein will, dann erhebt sich die Frage, ob der Übergang von den Jägern und Sammlern zu den Bauern nicht die entscheidende Verschlechterung darstellte. Jared Diamond hat sie jedenfalls vor ein paar Jahren gestellt, aber dies wieder eine andere Frage.
Diamond, Jared (2007): “The Worst Mistake in the History of the Human Race.” http://www.mnforsustain.org/food_ag_worst_mistake_diamond_j.htm
Die zitierten Bücher von Wilhelm Abel sind:
ABEL, Wilhelm: Massenarmut und Hungerkrisen im vorindustriellen Europa. Versuch einer Synopsis. Hamburg und Berlin: 1974.
ABEL, Wilhelm: Agrarkrisen und Agrarkonjunktur. Eine Geschichte der Land-und Ernährungswirtschaft Mitteleuropas seit dem hohen Mittelalter. Berlin: 3. Auflage. Aufl. Parey, 1978.