Das etwas andere Freilichtmusuem

Regionale Bauernhausmuseen haben nicht nur in der Regel mit dem Manko zu kämpfen, dass sie  zum einen Gebäude und somit eine Geschichte präsentieren, die transloziert und damit konstruiert wurde, und sich zweitens nur schlecht von einer vordergründigen oder zumindest indirekten Agrarromantik lösen können. Das erste Problem bedeutet, dass im Museum eine vermeintlich authentische Wirklichkeit gezeigt werden soll, die auf den ersten Blick auch so wirkt. Hübsch eingerichtete Wohnungen vermitteln das Gefühl, ja, so hat es damals ausgesehen. Dass hier Idealbilder vermittelt werden, wird oft nicht bewußt gemacht - und interessiert vielleicht auch niemanden. Dann ist da noch das schöne Bauernhaus, das alle Bilder vom schönen Dorfleben früher unvermeidlich propagiert - Aufklärung hin oder her.

Wenn man in Mecklenburg  unterwegs ist, dann ist die Sache schon etwas komplizierter. Zum einen gab es in den letzten 200 Jahren nur wenige Bauern in diesem Land. Mit anderen Worten: Bauernhausromantik kann sich hier schon allein deshalb nur selten einstellen. Statt dessen gibt es kleine Tagelöhner- und Landarbeiterhäuser auf der einen und große Herrenhäuser auf der anderen Seite. Dann ist Mecklenburg ehemaliges DDR-Land, wo die Bodenreform nach 1945 besonderen Sinn machte (sie wurde übrigens auch kurzfristig im Westen propagiert ...). Hier wurden die großen Güter zerschlagen und viele Neubauernstellen eingerichtet, also die Zahl der Kleinstellen noch einmal erhöht. Das Ganze mündete dann in der Kollektivierung, oder im Weg "Vom Ich zum Wir", wie damals propagiert wurde. Wer sich diese mehrfach gebrochene Geschichte ansehen will, der sollte einmal nach Alt-Schwerin am Plauer See fahren. Was gibt es dort zu sehen:
- ein Museum, das keine translozierten Gebäude kennt (nur ein transloziertes Tor), sondern solche, die dort schon bei der Gründung des Museums gestanden haben: ein Herrenhaus, ein Neubauernhaus, Tagelöhnerkaten, eine Schnitterkaserne von 1904,
- ein Museum, das die DDR-Geschichte nicht ausblendet, sondern die Geschichtsdeutung der DDR sogar authentisch vermittelt, und zwar in einer großen Dauerausstellung von 1988, die in der Schnitterkaserne zu sehen ist. Ja, richtig, sie stammt aus der DDR und sie steht dort immer noch. D.h. hier endet die Dorfgeschichte mit der Kollektierung und Mechanisierung der Landwirtschaft in der DDR.

Das Museum wurde Anfang der 1960er Jahre gegründet und es hatte ab 1970 ein besonderes Highlight zu bieten: In der großen Tagelöhnerkate lebte damals noch eine Familie mit zwei Kindern. Die Eltern arbeiteten in der LPG und bewohnten eine Wohnung in einem Haus, das schon zum Museum gehörte. 1970 bekamen sie eine Neubauwohnung, dafür mussten sie ihre alte Wohnung zu verlassen, wie sie war, alles blieb - so heißt es jedenfalls - in situ. Und so ist es geblieben. 2000 musste die Wohnung nach 30 Jahren Dauergebrauch renoviert werden. Dauergebrauch heißt offenbar wirklich "Gebrauch". Auf dem Sofa soll der Museumsdirektor auch mal ein Nickerchen gemacht oder das Ehebett für abendliche Besucher zur Verfügung gestellt haben. Hier wurde also gewissermaßen weiter gelebt und nicht nur besichtigt.

In diesem Jahr wurde das Museum um einen neuen Bereich erweitert. In mehreren Hallen und einem neuen zentralen Verwaltungs- und Besuchertrakt wird vor allem das Verhältnis von Maschine und Landwirtschaft beleuchtet: dort gibt es Feldbahnen, Traktoren, Lkw, Mähdrescher und viel mehr, sogar zwei Flugzeuge. Technikfans können hier auf ihre Kosten kommen - und den Hannoveraner freut es, mehrere HANOMAG-Traktoren vorzufinden. Dazwischen gibt es für Kinder thematisch passendes Spielgerät. Gerade dieser Bereich verweist auf einen Aspekt der neueren Landwirtschaft, dem man nicht immer in Westdeutschland begegnet: der Mechanisierung. Sie war schon früh ein Thema in Mecklenburg und sie bildet ein zentrales Thema für die DDR-Landwirtschaft.

Also auf, nach Alt-Schwerin, hier gibt es was zu entdecken, nicht besonders didaktisch aufgebaut, aber vergleichsweise authentisch, der Besucher muss und kann auf eine eigene Entdeckungsreise gehen. Aber Vorsicht: das Museum ist im Dorf und zu schnell ist man über die gerade Dorfstraße durch das Dorf gefahren, ohne das Museum überhaupt gesehen zu haben. Und eigentlich heißt es auch nicht mehr Museum, sondern „Agroneum".

http://www.museum-alt-schwerin.de

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