Einstürzende Archivbauten
Archive müssen nicht erst einstürzen, um unbenutzbar zu werden. Es gibt auch einfachere, billigere und vor allem unauffälligere Mittel. Man läßt sie personell einfach austrocknen. Zu wenig Personal heißt eben: Keine oder stark begrenzte Öffnungszeiten, kaum Beratung und vor allem: unzureichende Erschließung der vorhandenen Bestände. Das ist besonders praktisch, denn diese Bestände sind für den Benutzer schlicht nicht existent, was die Benutzungswünsche wiederum reduziert. Am Ende kann man dann sogar darauf verweisen, dass es kaum Interesse an dem Archiv gibt und sich deshalb Personalkosten nicht lohnen. Ein personell schlecht ausgestattetes Stadtarchiv verliert außerdem den Kontakt zur übrigen Verwaltung, was wiederum die Ablieferung neuerer Akten erschwert, so dass es nur wenig neue Überlieferung gibt.
Vielleicht sehe ich als einfacher Regionalhistoriker zu schwarz, aber was mir in und um Hannover in den letzten Jahren begegnet ist und immer noch begegnet, deutet stark darauf hin, dass wir einer Entwicklung entgegen gehen, die für regionalgeschichtliche Forschung geradezu fatal ist. In diesen Kontext passt auch, dass die Überlieferung kleiner oder mittlerer Unternehmen überhaupt nicht systematisch gesichert wird. Wo sollen auch die Impulse her kommen, wenn das Personal ausgedünnt wird und selbst technische Ressourcen nur in unzureichendem Maße zur Verfügung stehen?
Auch wenn ich den Begriff der Identität problematisch finde: Der Wunsch der Menschen in den Regionen, die eigene Geschichte zu erforschen, ist weiterhin groß und ungebrochen, es gibt genug Anfragen, die dies immer wieder bestätigen. Dies braucht auch eine fachliche Begleitung. Für universitäre Wissenschaftler/innen ist das uninteressant, weil im Wettbewerb meist nicht nutzbar. Wenn dann die kleinen Archive als Ansprechpartner auch immer mehr ausfallen, trocknen wir eine kulturelle Vielfalt einfach mal so aus.