Lehren aus dem BA

Lehrende, die nicht bereit waren, sich auf das neue Studienkonzept umzustellen, sind nach den neuesten Berichten vor allem für das Scheitern viele BA-Studierender verantwortlich. Als Historiker sehe ich das gemischt: in unserem Fach empfinde ich den Zwang zu einem konzentrierten Studium als hilfreich, vermisse aber auch eine Diskussion darüber, was wir wirklich vermitteln wollen. In den alten Studiengängen haben wir diese Frage übrigens m.E. auch nie beantwortet, sondern eine Antwort vermieden. Dennoch bin ich mir nicht sicher, ob die bei uns in Deutschland gänge 6+4 Praxis wirklich sinnvoll ist.
C.H. - 28. Apr, 17:21

Einerseits haben Sie natürlich Recht: Die Einteilung in diverse Module, welche belegt werden müssen, erleichtert ohne jeden Zweifel die Organisation des Studiums.

Andererseits führt dies aber natürlich auch zur viel zitierten "Verschulung" des Studiums. Eigene Schwerpunkte zu setzen, und diese somit durch die Wahl bestimmter Veranstaltungen zu vertiefen, ist schwierig geworden.

Nicht zu letzt deshalb, weil schlicht und ergreifend keine Zeit mehr bleibt, sich neben den zahlreichen Prüfungen, HAs, Praktika, etc. mit bestimmten Veranstaltungen außerhalb der "regulären Module" auseinanderzusetzen.

Und so liegt es vllt. nicht nur an der mangelnden Beschäftigung von Lehrenden mit dem BA, dass die Abbrecherquote so hoch ist, sondern auch an der verschärften Druck-Situation, der wir ausgesetzt sind. (Wobei das Eine wahrscheinlich, das Andere mit hervorbringt).

Insgesamt hört sich das aber schlimmer an, als es ist. Ich persönlich finde den BA gar nicht mal so schlecht, sofern jedem Einzelnen ermöglicht wird, das zu tun, was ihm vorschwebt: Es sollte frei wählbar sein, ob jmd. nach dem BA in den Beruf gehen möchte, oder ob er im Master weiterstudieren will. Das dies aber auf Grund der NC-Situation "Angebot und Nachfrage" mehr als zweifelhaft ist, macht den Druck natürlich für die Studenten nicht gerade geringer.

Es ist auf jeden Fall positiv, dass sich nun augenscheinlich auch mal die Medien und damit hoffentlich auch einmal eine breitere Öffentlichkeit mit diesen - nicht unwesentlichen - Reformen beschäftigt (So ist ja auch die Titel-Story des aktuellen Spiegels "uns" gewidmet). Denn ich habe schon den Eindruck gewonnen, dass "der Bachelor" im Bewusstsein eines Großteils der Bevölkerung bei weitem noch nicht angekommen ist.

KHSchneider - 29. Apr, 07:40

die Klagen stimmen natürlich auch, aber in einer Reihe von Tagungen und Workshops wurde gerade in der letzten Zeit betont, wie sehr wir den BA überladen haben. Diese "Überladung" halte ich nicht für systemimmannent. Wir sollten wirklich alle Möglichkeiten nutzen, einerseits ein strukturiertes Studium. andererseits ein auch inhaltlich und intellektuell anspruchsvolles Studium zu organisieren.
Da liegen m.E. viel mehr die Fehler der Politik, so zu tun, als sei der BA ein Billigstudium. Das mag etwa für Ingenieurwissenschaften stimmen, für unsere Fächer muss das aber nicht so sein.

Für die Studierenden sehe ich in einem kürzeren Studium außerdem die große Chance, nicht zu Dauerstudenten zu werden, was bei den alten Studiengängen viel zu viel (nicht alle) geworden sind, wie wir jetzt bei der "Abwicklung" der alten Studiengänge schmerzlich erfahren müssen.
Christopher Kern - 30. Apr, 22:45

Die Frage die ich mir seit Jahren stelle ist, warum die Deutschen nicht ein bisschen mehr ins Ausland geschaut und sich stärker an den dortigen Systemen orientiert haben. In der englischsprachigen Welt finden sich überall sinnvolle und gut funktionierende BA/MA-Systeme, mit denen "das deutsche System" (es wäre schön, wenn es wenigstens ein halbwegs einheitliches gäbe) reichlich wenig zu tun hat. Britische Universitäten zeigen beispielsweise sehr schön, wie man eine klare Struktur mit individuellen Interessenschwerpunkten der Studierenden kombinieren kann.

Das System wird sich (hoffentlich) im Laufe der Zeit verbessern, nur ist es schade für/um die Studierenden, die dem Chaos und übermäßigen Leistungsdruck der ersten Jahre zum Opfer gefallen sind. Den Lehrenden mache ich persönlich an dieser Stelle allerdings keinen Vorwurf, da die meisten von ihnen mit den neuen Studiengängen genauso überfordert sind wie die Studierenden.

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