Elfenbein-Türme, Eventmarketing und der Jammer der Elite

In den Blättern für deutsche und internationale Politik gibt es einen lesenswerten Artikel von Heiner Keupp über das "Unternehmen Universität". So sehr überzeugend auch viele der Argumente sind, so verkennen sie doch zweierlei: Erstens: Was sind das für "Eliten" an den Unversitäten, die sich ein derartiges bürokratisches Monster (wenn es denn eines ist) überstülpen lassen? Und zweitens: wurde das neue System nicht auch deshalb beinahe unstudierbar, weil es ja alles vorher schon wußten, m.a.W., sich kaum an einer intelligenten, engagierten Umsetzung beteiligten und beteiligen? Wer stundenlang etwa über die Zumutung der Prüfungsverbuchung via Web jammert, hat in der Tat dann kaum noch Zeit, diese Verbuchung vorzunehmen. Schlimm ist es, wenn ohne Not, nur weil jeder will, dass "seine" Beiträge zur Lehre auch durch entsprechende Prüfungsleistungen gewürdigt werden, auch entsprechende Prüfungen verlangt. Wer aber viele Prüfungen bewußt will, darf sich nicht anschließend über eine entsprechende Prüfungsbelastung ärgern. Insofern macht das neue System manches leichter: "Schuld", wenn etwas nicht klappt, sind ohnehin die "anderen", die Bürokraten in den Hochschulen und außerhalb.


Und oft klagen diejenigen am meisten, die nichts oder kaum zur inhaltlichen (!) Ausgestaltung der neuen Studiengänge beigetragen haben. Das neue System ist eine Herausforderung, ganz gewiß, aber es ist nicht nur Bürokratie. Na gut, man kann über die Akkreditierungen süffisant lächeln, aber wann haben wir je so viel über andere Universitäten und Institute an Informationen erhalten, wie jetzt? Denn die Gutachter sind ja selbst Hochschullehrer, die viele Probleme selbst kennen und oft ebenfalls nach Lösungen suchen, die besser sind als die bislang gefundenen. Aber wir reden miteinander. Und es kommt viel in Gang. Wir haben in Hannover, endlich, nach vielen Jahren der Verweigerung (schon unter dem alten System, über dessen Ausbildungsqualität ich keineswegs so positive Urteile abgeben möchte) eine Ringvorlesung erhalten, die sogar als Videostream aufgenommen wird. Wir verfügen über E-Learning-Systeme und wir könnten eine neue Kultur der intensiven Lehre einführen, die auch Wahlmöglichkeiten, Vertiefungen, Spezialisierungen ermöglicht. Wir reden über Lehre, verständigen uns über Inhalte und Formen, tun endlich Dinge, die längst überfällig waren. Wenn wir jetzt noch dem jungen, kreativen Nachwuchs Entfaltungsmöglichkeiten geben, können sich endlich überfällige Innovationen durchsetzen, die Studierenden neue Freude an der Lehre und am Lernen geben.

Was wir lange genug hatten, waren Studierende, die am Ort Hochschule viel zu lange geblieben sind, weil es hier so kuschelig war und weil Wissenschaft viel Zeit braucht. Studierende, die faktisch Teilzeitstudierende waren und dann oft an der Abschlußprüfung scheiterten. Anstatt weiter zu klagen, sollten Lehrende endlich die neuen Strukturen akzeptieren, sie mit Inhalten füllen, und nicht weiter, wie in den letzten Jahren, gerade in den Geisteswissenschaften in einen Kontrollwahn verfallen, der niemandem hilft, aber auch nicht in dieser Form verlangt wird. Zumindest noch nicht. Und sie sollten endlich ihren Sachverstand einsetzen, um zu verhindern, dass nicht tatsächlich die Bürokratie eines Tages uns die Inhalte vorschreibt.

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