Schaumburger Nationalsozialisten, 2: Alfred Meyer

Vor kurzem habe ich den neuen Sammelband über "Schaumburger Nationalsozialisten" kurz vorgestellt. Hier folgt der erste Teil einer kleinen Vorstellungsrunde, er widmet sich der Einleitung und dem ersten vorgestellten Akteur.


Das hier in Etappen vorzustellende Buch ist seit langem überfällig. Zu Beginn wird der frühere Archivleiter aus Bückeburg, Dieter Brosius, zitiert, der 1971 konstatierte, dass alle wichtigen Entscheidungen während der nationalsozialistischen Zeit nicht in Schaumburg getroffen wurden, sondern von Nicht-Schaumburgern stammten. Das mochte damals, vor fast 40 Jahren zutreffend sein, zumal der zitierte Aufsatz über die nationalsozialistische Judenverfolgung auf seine weise wegweisend war. Doch spätestens in den 1980er Jahren war allen, die sich etwas intensiver mit Schaumburger Geschichte beschäftigten, klar, dass die genannte Annahme nicht zutreffend war. Wichtige Impulse für die Verfolgungen, Unterdrückung, Entrechtung und später die Verfolgung der Juden, gingen auch von Schaumburgern aus. Namen wie Friehe, Dreier, Gebbers, Manns und andere galten auch schon damals als wichtige Personen der jüngeren Geschichte Schaumburgs. Aber es kam nie zu einer systematischen Auseinandersetzung mit diesen Akteuren. Das wurde mit dem vorliegenden Band nachgeholt. Damit liegt eine weitere wichtige Studie zur Schaumburgischen Geschichte vor. Damit dürfte Schaumburg mittlerweile eine der am besten untersuchten Regionen in Nordwestdeutschland gehören. Mit der im nächsten Jahr stattfindenden Tagung zur mittelalterlichen Geschichte der Region dürfte dann eine weitere Lücke der schaumburgischen Geschichtsschreibung geschlossen werden.

Doch jetzt zu dem Buch.

Es beginnt mit drei Beiträgen zur Person des Gauleiters und Reichsstatthalters Alfred Meyer. In einem ersten Beitrag untersucht Stefan Brüdermann, Leiter des Staatsarchivs in Bückeburg, Alred Meyers Rolle als Gauleiter und Reichsstatthalter in Schaumburg. Meyer, 1891 in Göttingen geboren, nach einem juristischen Studium Referent auf der Zeche Graf Bismarck in Gelsenkirchen, trat 1928 in die NSDAP ein, wurde 1931 Leiter des Gaues Westfalen-Nord und am 16.5.1933 Reichsstatthalter für Lippe und Schaumburg-Lippe, 1938 wurde er Oberpräsident der Provinz Westfalen, 1941 Stellvertreter Alred Rosenbergs im „Reichsministerium für die besetzten Ostgebiete“, in dieser Funktion auch Teilnehmer der Wannsee-Konferenz, schließlich Reichsverteidigungskommissar im Gau Westfalen-Nord; Anfang April 1945 beging er Selbstmord am Hohenstein im Süntel (Vita ebd., 30). Brüdermanns Beitrag widmet sich vorrangig Meyers Aktivitäten in Schaumburg-Lippe. Der Kleinstaat spielte zwar in dem Gau keine entscheidende Rolle, dennoch hielt sich Meyer dort mehrfach auf. Er bestimmte auch die Politik in dem kleinen Land, das formal vom Landespräsidenten Karl Dreier geleitet wurde. Dessen Handlungsspielraum war allerdings begrenzt, Meyer wollte über jede wichtigere Entscheidung informiert werden, wie etwa im Falle der Besetzung des Stadthäger Bürgermeisterpostens. Meyer nahm während seiner Besuche auch Stellung zur NS-Politik und dabei vertrat er offen die Positionen des Nationalsozialismus. Eine wichtige Quelle der Studie von Brüdermann sind die Berichte der NS-Zeitung „Die Schaumburg“. Somit konnte man sich auch in Schaumburg keine Illusionen machen.

Die Studie von Frank Werner, Historiker und Chefredakteur der Schaumburg-Lippischen Landeszeitung, widmet sich der tätigkeit Meyers als Stellvertreter Rosenbergs. Er kann in seiner Studie zeigen, dass Meyer zwar nicht besonders durchsetzungsfähig war, seine Aktivitäten aber umfassender waren als dies bislang angenommen wurde. Er berichtete übrigens auch mehr oder weniger offen über die NS-Politik in den besetzten Ostgebieten während seiner Besuche in Schaumburg-Lippe.

Beide Artikel folgen den neueren Forschungen, die sowohl den regionalen Eliten als auch besonders den Gauleitern einen größeren Einfluß auf die NS-Politik einräumen als dies in der älteren forschung der Fall war.



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