Region

Samstag, 20. Juli 2013

Der Wagen der Zukunft

"Ehe die Wagen erfunden wurden, ritten die Menschen, wollten oder konnten sie sich nicht auf ihr natürliches Beförderungsmittel verlassen. Und zum Wagen bedurften sie des Pferdes oder eines anderen Zugtieres. Dann wurde das Pferd durch das Fahrrad ersetzt, zu welchem der Mensch Zugkraft liefert, und jetzt folgt als natürliche Entwicklungsstufe der Wagen ohne Pferde und ohne Menschenkraft, der von der Maschine betriebene Wagen.

Daß diesem die Zukunft gehört, kann auch der Blindeste sehen. So schön es sein mag, sich hinter flinken Rennern den Wind um die Nase spielen zu lassen, die beständige Aufmerksamkeit, welche diese Renner beanspruchen, die Kosten, welche ihre Pflege verursacht, die Ungleichmäßigkeit und Unsicherheit ihrer Leistungen beeinträchtigen das Vergnügen und das Stilgefühl an ihrem Besitz und lassen, die nur geringer Pflege bedürftige, im Zustande der Ruhe keine Wartung und keinen Unterhalt verlangende, in ihren Leistungen gleichmäßige Maschine im Ansehen steigen.

Kein Zweifel, daß der Automobil-Wagen der Wagen der Zukunft sein wird, wie das Fahrrad das Reitpferd der Jetztzeit ist. Die einzige Frage ist noch, welche Triebkraft den Sieg gewinnen wird, mit Petroleum erzeugter Dampf, Benzin oder Elektrizität? Aber es unterliegt wohl keinem Zweifel, daß er der Elektrizität zufallen wird, als der reinlichsten und auch sichersten, und zwar durch Akkumulatoren gelieferten, denn eine direkt den Wagen aus Stromleitungen zugeführte, ist natürlich ausgeschlossen."

>Obernkirchener Anzeiger, 24. Juni 1899

Ich bearbeite gerade den wissenschaftlichen Nachlass von einem Kollegen, dabei stoße ich ab und an auf allgemein interessante Quellen, diese ist eine davon.

Donnerstag, 17. Januar 2013

Einstürzende Archivbauten

Archive müssen nicht erst einstürzen, um unbenutzbar zu werden. Es gibt auch einfachere, billigere und vor allem unauffälligere Mittel. Man läßt sie personell einfach austrocknen. Zu wenig Personal heißt eben: Keine oder stark begrenzte Öffnungszeiten, kaum Beratung und vor allem: unzureichende Erschließung der vorhandenen Bestände. Das ist besonders praktisch, denn diese Bestände sind für den Benutzer schlicht nicht existent, was die Benutzungswünsche wiederum reduziert. Am Ende kann man dann sogar darauf verweisen, dass es kaum Interesse an dem Archiv gibt und sich deshalb Personalkosten nicht lohnen. Ein personell schlecht ausgestattetes Stadtarchiv verliert außerdem den Kontakt zur übrigen Verwaltung, was wiederum die Ablieferung neuerer Akten erschwert, so dass es nur wenig neue Überlieferung gibt.

Vielleicht sehe ich als einfacher Regionalhistoriker zu schwarz, aber was mir in und um Hannover in den letzten Jahren begegnet ist und immer noch begegnet, deutet stark darauf hin, dass wir einer Entwicklung entgegen gehen, die für regionalgeschichtliche Forschung geradezu fatal ist. In diesen Kontext passt auch, dass die Überlieferung kleiner oder mittlerer Unternehmen überhaupt nicht systematisch gesichert wird. Wo sollen auch die Impulse her kommen, wenn das Personal ausgedünnt wird und selbst technische Ressourcen nur in unzureichendem Maße zur Verfügung stehen?

Auch wenn ich den Begriff der Identität problematisch finde: Der Wunsch der Menschen in den Regionen, die eigene Geschichte zu erforschen, ist weiterhin groß und ungebrochen, es gibt genug Anfragen, die dies immer wieder bestätigen. Dies braucht auch eine fachliche Begleitung. Für universitäre Wissenschaftler/innen ist das uninteressant, weil im Wettbewerb meist nicht nutzbar. Wenn dann die kleinen Archive als Ansprechpartner auch immer mehr ausfallen, trocknen wir eine kulturelle Vielfalt einfach mal so aus.

Donnerstag, 24. Februar 2011

Unternehmenskultur

Als ich vor ein paar Tagen einen Artikel über eine neuere Studie zu den Arbeitsbedingungen in Unternehmen von Martha Crowley gefunden habe, musste ich an unsere kleine Studie über die Ilseder Hütte denken. Wir führten damals auch einige Interviews mit mehreren Mitarbeitern. Was uns an diesen Interviews auffiel, war die Irritation der Mitarbeiter, die einerseits nicht nur mit hohem Engagement gearbeitet hatten, sondern auch Lösungen für Produktionsprobleme gefunden hatten, die dem Unternehmen viel Geld sparten. Auf ein Lob hatte man aber offenbar meist vergeblich gewartet (an Geld dachte niemand). In der neueren Unternehmensgeschichte scheint dieser Aspekt, auf den auch Crowley verweist, allerdings nur von untergeordneter Rolle zu sein.

Als ich dann eben auf unserer Website nachsehen wollte, was wir damals veröffentlicht haben, musste ich feststellen, dass durch mehrere Umzüge nicht mehr die Links stimmen. Ich habe deshalb die Daten begonnen, in die Wiki einzupflegen. Hier sind die ersten Ergebnisse zu sehen.

Freitag, 28. Januar 2011

Das Ende der Provinz

Ein nebenbei formulierter Satz in einem Radio von DR über die abgelegene Provinz brachte mich auf den Gedanken, dass das überlieferte Konzept von "Provinz" in Zeiten der Globalisierung und der transnationalen Geschichte überholt ist. Es nimmt die Perspektive des zentralisierten Staates ein, der Blick von der zentralen Residenz, dem Machtzentrum des Staates auf die heterogene und widerspenstige Provinz, die damit auch als eine rückständig eingestuft wurde. Dieses Konzept von Provinz war von Beginn an problematisch, da einseitig. Mit einer Akteurs bezogenen Wahrnehmung von Geschichte müssen auch Konzepte von Provinz entsprechend angepasst oder sogar stark eingeschränkt werden. Zentrale Orte, insbesondere Hauptstädte, spielen zwar für die Akteure eine wichtige Rolle, aber nur in einem begrenzten Umfang. Zwar bilden sie eine hohe Anziehungskraft für Migranten, für alle anderen können sie aber auch lediglich auf die Funktion von wichtigen Relaisstationen für Verkehr oder Nachrichten herab sinken - oder ohne jede Bedeutung sein. 

Lassen wir die staatliche Perspektive bei Seite, dann agierten Menschen zwar in Netzwerken, aber diese übersprangen sowohl staatliche Grenzen wie sie gleichzeitig zentrale Orte nur funktional im oben genannten Sinne nutzten. Funktionale Zentren waren etwa Hafenstädte. 

Dieses schon für die frühe Neuzeit funktionierende Konzept hatte zur Folge, dass Menschen aus der "Provinz" "international", d.h. inter- und transregional agierten. Sie standen in netzwerkähnlichen Kommunikationsstrukturen, die unabhängig von Zentren existierten. Region, nicht Provinz, und Transregionales (besser als Transnationales) standen nicht in Widerspruch, sondern waren zwei Seiten einer Medaille.

Spannend an dieser Stelle ist auch die Frage, ob nicht digitale Medien und vor allem vernetztes Arbeiten neue Chancen bieten, die klassische archivalische Perspektive aufzugeben und nun wirklich den Akteuren "zu folgen", d.h. komplexe Prozesse für größere Gruppen von Akteursgruppen erfassen und auswerten zu können. Peter Haber hat dazu kürzlich in der NZZ einige interessante Überlegungen angestellt (den Hinweis verdanke ich http://weblog.histnet.ch/archives/5037.

Montag, 3. Januar 2011

Wirtschaftsgeschichte Niedersachsens nach 1945

Am 15.12. habe ich in der GWLB einen kurzen Vortrag zur Wirtschaftsgeschichte Niedersachsens nach 1945 gehalten, er findet sich in der LWG.

Sonntag, 7. März 2010

Vom Sinn und Unsinn der Regionalforschung

Als wir in den späten 80er und frühen 90er Jahren zusammen mit anderen Forschern über ländliche Entwicklung in Niedersachsen gearbeitet haben - es war die erste Blütezeit der Regionalforschung - kamen mir und anderen Historikerinnen immer wieder Bedenken ob des Sinns unserer Unternehmungen. Was taten wir da eigentlich? Beobachten allein ging ja kaum, denn so wie wir dort waren, waren wir involviert, die Dinge änderten sich - meist nur unwesentlich, aber erkennbar - allein durch unsere Anwesenheit. Allein die Frage, mit wem wir sprachen oder nicht sprachen, spielte für die dörflichen Verhältnisse eine wichtige Rolle. Bei den eher soziologisch arbeitenden Kollegen hatten wir zudem immer den Eindruck, dass dort die Vorstellungen einer vermeintlich "richtigen" Entwicklung eine große Rolle spielte und die Einordnung konkreter Verhaltensweisen einen oft erheblichen analytischen Aufwand verursachten, dem aber - vorhersehbar - banale Erkenntnisse folgten. Mittlerweile schwappt eine neue Welle der interdisziplinär arbeitenden Regionalforschung durchs Land und sie ergießt sich vornehmlich auf sogenannte "benachteiligte Regionen" (mit Ausnahme des Oldenburger Münsterlandes, das dann gleich wieder zu enem Musterfall "richtiger" Entwicklung wird). Einen Eindruck von deren Arbeitsweise bietet ein Interview in der jüngsten Berliner Zeitung. Der "Soziologe und Bio-Landwirt" Andreas Willisch erklärt dort die Welt von Wittenberge. So fasziniert ich zunächst von dem Artikel war, so irritiert habe ich ihn am Ende weggelegt. Mal abgesehen von den beliebten Wortschöpfungen der Regionalforschung (früher war es mal die "eigenständige Regionalentwicklung", heute ist es der "Raumpionier"), bleibt mir völlig unklar, wer da was untersucht und zu welchem Zweck. Vielleicht ist es dann nicht nur der Interviewsituation geschuldet, wenn es am Ende nicht mehr um die Menschen in Wittenberge, sondern um die Befindlichkeiten des Interviewten geht.


Mittwoch, 1. April 2009

Von Fehlurteilen und Märchen

Die Berliner Zeitung berichtet heute über eine neue Studie zum Oldenburger Münsterland unter dem "Von Schweinen und Menschen". Dort wird - wieder mal - eine dieser Thesen zur regionalen Entwicklung aufgetischt, die dadurch nicht besser wird, dass man sie immer wiederholt. Also: weshalb geht es dem Oldenburger Münsterland besser als anderen Regionen? 1., weil es dort soziale und wirtschaftliche Netzwerke gebe, vor allem Mehrgenerationenfamilien, weshalb mehr Frauen arbeiten könnten als anderswo. Und 2., weil dort alte Werte wie "Familie und Bodenständigkeit, Heimat und Ehrenamt" länger überlebt hätten als anderswo.
Ich raufe mir mal nicht zu 2. meine schütteren Haare, sondern bleibe sachlich. Was allen diesen vermeintlichen und sogar angeblich übertragbaren Erfolgsrezepten fehlt, ist der Blick auf den Kontext. Und der ist eine zeitlicher und ein räumlicher. Zunächst zum zeitlichen: Es hat immer erfolgreiche und erfolglose Regionen gegeben. Bei den erfolgreichen gab es jeweils einen engen Zusammenhang zwischen endogenen und exogenen Faktoren. Fielen aber letztere weg, sah es meist um erstere auch schlecht aus. Wie diese endogenen Faktoren aussahen, ist fast beliebig, es kommt auf die Kombination mit den exogenen Faktoren an. Im Schaumburger Land, das um 1900 eine erfolgreiche Region darstellte, bildete etwa die geringe Kinderzahl einen wichtigen demographischen Faktor, stand sie doch für Familien, die in einem hohen Maße an sozialem Aufstieg ihrer Kinder interessiert waren. Hohe oder geringe Kinderzahlen sagen allein überhaupt nichts aus über Erfolg oder Mißerfolg einer Region.
Ähnlich könnte man sich auch den anderen Faktoren widmen. Wichtiger erscheint mir aber, dass der räumliche Kontext vernachlässigt wird: Die Autobahn wird zwar selbst von aktuellen Forschern als ein zu geringer Faktor angesehen, aber ich habe da meine massiven Zweifel. Der Aufstieg des Oldenburger Münsterlandes begann in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als mit dem Bahnbau die Möglichkeit bestand, billige Futtermittel zu importieren, Schweine zu mästen und mit Gewinn an Abnehmer besonders im Ruhrgebiet zu verkaufen. Dieses Erfolgsmodell funktioniert heute sogar besser als vor 140 Jahren. Wenn die ökonomischen Rahmenbedingungen funktionieren, warum sollten dann nicht auch stabile und nur vermeintlich "traditionelle" Sozialbeziehungen sogar gestärkt werden? In dieser Perspektive sind sie dann jedoch nicht Ursache, sondern Folge, wirken aber vermutlich wiederum stabilisierend. Und dann sieht es mit der Übertragbarkeit nach dem Motto: seid schön traditionell, fruchtbar und brav, gar nicht mehr gut aus.
Der räumlich-zeitliche Kontext sagt übrigens auch, dass erfolgreiche Regionen schnell in Schwierigkeiten geraten, wenn sie sich nicht mehr auf veränderte exogene Faktoren einrichten können. Der Niedergang einer stark differenzierten und zeitweise äußerst leistungsfähigen Industrielandschaft mit enger Verbindung zur marktorientierten Landwirtschaft wie im Braunschweiger Land wäre dafür ein regionales Beispiel.
Wir brauchen endlich neue Debatten über regionale Entwicklungen und nicht mehr diese simplen Kausalitätsketten, die nur in die Irre führen.
Den Originaltext der Studie gibt es übrigens auch im Netz unter:
http://www.berlin-institut.org/fileadmin/user_upload/Land-mit_Aussicht/LmA_final.pdf

Freitag, 6. März 2009

Die Autoindustrie und ihre Zulieferer

Eine der zentralen Aspekte regionaler Zugehörigkeitsgefühle (oder meinetwegen "Identität") ist die Bedeutung der Ökonomie: Gemeinsame Erfahrungen im Arbeitsprozess spielen eine wesentliche Rolle für die Menschen einer Region. In Niedersachsen hat sich nach 1945 die Automobilindustrie (und das heißt VW) sehr schnell zu dem zentralen Wirtschaftsfaktor entwickelt, ohne den im Land kaum etwas "geht". Welche Bedeutung die Autoindustrie in der bundesdeutschen Wirtschaft hat, zeigt eindrucksvoll eine Galerie bei ZEIT Online.

Samstag, 14. Februar 2009

Die Tücken der Planung

In dem dritten Video über Medienepochen der Stadt berichtet Dirk Baecker scheinbar über den Buchdruck, aber mehr noch über die Planung bzw. vergebliche Planung.


Donnerstag, 12. Februar 2009

Die Sprache der Stadt

Ein gut gemachter Film über die Bedeutung der Sprache findet sich in der ZEIT.

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