Samstag, 11. Februar 2012

Celle im Nationalsozialismus

Celle gehört zu den niedersächsischen Städten, in denen eine kritische Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus lange Zeit auf sich warten ließ. Sie gehört aber zugleich zu den Orten, in denen seit ca. 20 Jahre aktiv die NS-Geschichte aufgearbeitet wird. Die Vermittlung der Forschungsergebnisse erfolgt neben Schriften besonders über einen Stadtrundgang, der im Netz auf einer kürzlich neugestalteten Website abrufbar ist. 2007 erschien zudem von Reinhard Rohde und Tim Wegner ein "topographischer Überblick" zu "Celle im Nationalsozialismus". Die inzwischen vergriffene Broschüre ist aber weiterhin als pdf auf der genannten Website verfügbar. Nun haben die beiden Autoren im Verlag für Regionalgeschichte eine erweiterte Version unter dem Titel "Celle im Nationalsozialismus. Ein zeitgeschichtlicher Stadtführer" als Band 13 der "Kleine(n) Schriften zur Celler Stadtgeschichte" veröffentlicht. Herausgeber ist die Stadt Celle. Das 152 umfassende Buch ist in acht Kapitel aufgeteilt, die jeweils thematisch angelegt sind, aber zugleich zu wichtigen Orten des Geschehens führen. Kapitel 1 behandelt die "NSDAP und ihre Gliederungen", Kapitel 2 die "Justiz und Polizei", Kapitel 3: "Anpassung, Gleichschaltung und Gefolgschaft", 4: Kultur, 5: "Die jüdische Bevölkerung - Emigration oder Tod", 6: "Widerstand und Opposition", 7: "Krieg, Zwangsarbeit und Mord", 8: "Gedanken zur Erinnerungskultur".
Der Band enthält keine einzelnen Belege, sondern lediglich eine knappe Literaturauswahl. 
Der Band bietet zwar auch einen historischen Stadtrundgang, aber im wesentlichen werden anhand einzelner Orte und Gebäude wichtige "Stationen" des Themas behandelt. Dies hat den Vorzug, dass sich der Band auch einfach zum Lesen eignet. Dass Geschichte im Raum stattfindet, ist zwar seit dem "spatial turn" allgemein bekannt, wird hier aber sehr konkret. Da die Autoren zudem mit den aktuellen Debatten und Zugängen zum Nationalsozialismus vertraut sind, erwartet den Leser eine facettenreiche, gut lesbare Geschichte einer niedersächsischen Stadt im Nationalsozialismus.

Dienstag, 10. Januar 2012

Bibliographix

Vor ein paar Jahren, als ich noch ausschließlich in der Windows-Welt zuhause war und die Zahl der Literaturverwaltungsprogramme noch etwas begrenzter war als heute (von der Cloud sprach noch niemand), habe ich durchaus gern mit Bibliographix gearbeitet. Es kostete zwar etwas, aber nicht so viel (auf keinen Fall so viel wie Endnote). Besonders gefielen mir die gute gute Verwaltung von Literaturangaben, der Ideenmanager, der direkte Import von Daten aus OPACs und der sehr gute Support der Programmierer (insbesondere Olaf Winkelhake hier noch einmal Dank!). Das Programm wurde seitdem stetig weiter entwickelt, ich aber wechselte vor knapp 5 Jahren zum Mac (zwar nicht ausschließlich, aber eben auch) und fast gleichzeitig kam Zotero auf den Markt. In vielen Punkten mit weniger Funktionen ausgestattet als Bx, jedoch als Firefox-Extension kann man es unter allen drei großen Betriebssystemen einsetzen und die Cloud-Integration war ebenfalls von Anfang dabei.

Danach wurde es etwas ruhiger um Bx, was aber wohl weniger an Zotero lag, sondern an Citavi, das seitdem ebenfalls systematisch ausgebaut wurde und sich seitens einiger Universitäten (so auch unserer) größere Beliebtheit erfreut (Angehörige der Universität können dies Programm ohne weitere Kosten nutzen). Nun liegt Bibliographix in einer neuen, neunten, Version vor, die komplett (vorher gab es eine abgespeckte Basic-Version) kostenlos ist - lediglich für den Support muss man bezahlen. Wer sich noch nicht entschieden hat und nur mit Windows arbeitet, sollte einen Blick darauf werfen. Gegenüber Citavi fällt etwa die TagCloud auf. Einen Hinweis mit einigen Kommentaren findet sich auch bei netbib.

Dienstag, 20. Dezember 2011

Die Macht des Misstrauens

In einem Artikel der heutigen FAZ schreibt Gesine Schwan über die Politik Merkels und deren "zerstörerische Macht des Misstrauens". Seltsam, ich muss bei dabei sofort an die Hochschule denken, zumindest "meine". Seit 12 Jahren bin ich in Gremien, vor allem Studienkommissionen, fast sieben Jahre davon habe ich selbst eine geleitet. Drei Jahre war ich Studiendekan, seit fast zwei Jahren bin ich Leiter des Zentrums für Lehrerbildung. Insbesondere in den letzten Jahren beobachte ich zunehmend das, was Gesine Schwan für die Bundespolitik beschreibt: Die universitären Gremien als Orte demokratische Meinungsbildungsprozesse sind nicht nur über Hochschulgesetze entwertet worden, sie werden auch teilweise von der Hochschulleitung argwöhnisch beäugt, als Hindernisse wahrgenommen, denen mit Mißtrauen zu begegnen ist. Dass diesem Mißtrauen der einen Seite eine Mißtrauen der anderen entspricht, überrascht da nicht.

Woher kommt dies Mißtrauen eigentlich? Hochschule ist nie ein konfliktfreier Ort gewesen, aber Gremien boten zumindest die Chance, Positionen zu verdeutlichen, Auseinandersetzungen öffentlich zu führen, nach Kompromissen zu suchen und Entscheidungen zu legitimieren. Spätestenes mit dem Bologna-Prozess änderten sich dies. Bologna war und ist ein von oben verordneter Prozess gewesen, bei dem, so weit ich es sehe, die eigentlichen Akteure der Hochschule kaum eine Entscheidungsfreiheit hatten, sondern an den Rand gedrängt wurden. Bürokratische Strukturen übernahmen immer mehr die Kontrolle. Damit zog ein neues Denken in die Universität ein, gegen das wir uns immer noch zu wenig wehren. Zu diesem Denken gehört auch ein Mißtrauen gegen Gremien, d.h. auch gegen demokratische Entscheidungsprozesse.

Darüber könnte man noch sehr lang schreiben, aber das ist hier vielleicht nicht der richtige Ort.  

Sonntag, 11. Dezember 2011

In eigener Sache: Digireg

Archivalia hat mich wieder mal drauf gebracht: Eine aktuelle Übersicht über geschichtswissenschaftliche Blogs bringt eigentlich ein ernüchterndes Ergebnis: Blogs von Hochschullehrern gibt es in Deutschland nur selten, ansonsten mangelt es nicht an Geschichtsblogs. "Digitale Regionalgeschichte" wird netterweise auch erwähnt, wobei mein letzter längerer Artikel offenbar übersehen wurde. Macht aber nichts. Es ist hier ruhig geworden. Liegt vielleicht auch daran, dass ich derzeit nicht sicher bin, wie und ob ich Digitale Regionalgeschichte weiter entwickeln werde. Vielleicht stelle ich hier aber demnächst Thesen zur Entwicklung des "ländlichen Raumes". Vielleicht. 

Freitag, 28. Oktober 2011

Das Dilemma

Vor über 20 Jahren erschien ein Buch über das „Gefälle“, die strukturellen Entwicklungsunterschiede zwischen Norddeutschland, insbesondere Niedersachsen, und dem Süden der Republik. Das Gefälle ist geblieben, aber was sind die Ursachen?
Als wir vor drei, vier Jahren an dem Handbuch zur Geschichte Niedersachsens geschrieben haben, diskutierten wir natürlich auch über diese Frage. Gerade eben hat einer unserer Studierenden eine Masterarbeit dazu abgegeben, in der ein langfristiger Vergleich der bayerischen und der niedersächsischen Entwicklung vorgenommen wird. Fragt man nach den Ursachen der abweichenden Entwicklungen - bei vergleichbaren strukturellen Voraussetzungen -, so rückt die frühe Phase des 19. Jahrhunderts in den Focus.

Carl-Hans Hauptmeyer betont in seinen Arbeiten die langen Linien der niedersächsischen Entwicklung. Das mag zwar insgesamt zutreffen, aber hier deutliche Einschnitte dürfen nicht vergessen werden. Der erste besteht darin, dass seit 1714 in Hannover kein Herrscher mehr aktiv Politik macht. Die Kurfürsten sitzen nicht mehr in Hannover und bauen dies zu ihrer Residenz aus, sondern in England. Hannover, das noch kurz zuvor repräsentativ ausgebaut wurde, etwa beim Herrenhäuser Garten, bleibt ein Jahrhundert gleichsam „stehen“, hier passiert nichts. Man vergleiche diese bescheidene Kleinstadt mit den Residenzen anderer Territorien!

Dieser Rückstand hätte aufgeholt werden können, wenn nicht nach 1800 die nächste Etappe „verpasst“ wurde. Hannover wurde mit der Gründung des Königreichs Westphalen praktisch mediatisiert und verlor seine staatliche Identität. Weder das ehemalige Territorium Hannover noch die Stadt Hannover spielten im Königreich Westphalen eine nennenswerte Rolle.

Völlig anders verlief die Entwicklung in Süddeutschland: Die Territorien von Bayern, Württemberg und Baden blieben nicht nur bestehen, sondern sie wurden dank vieler Mediatisierungen noch aufgewertet. Vergleichbares für Norddeutschland hätte bedeutet, dass zumindest Oldenburg und Schaumburg-Lippe einem neuen Königreich Hannover einverleibt worden wären. Die Personalunion mit England und die Bedeutung der Küste verhinderten eine solche Entwicklung schon im Ansatz. Die süddeutschen Territorien profitierten aber nicht nur territorial, sondern sie reagierten auf die räumlichen Gewinne mit einer systematisch betriebenen inneren Politik: Aus den neuen Gebilden sollten einheitliche, bei der Bevölkerung akzeptierte Territorien, moderne Staaten werden. Ging demnach in Süddeutschland von der französischen Zeit ein wichtiger Impuls für eine moderne Staatlichkeit aus, so unterblieb er in Niedersachsen vollkommen.

Nach 1814 öffnete sich die Schere sogar weiter, denn in Hannover (und in Oldenburg, auch in Braunschweig) wurde die Restauration nicht genutzt, um den staatlichen Vorsprung des Südens aufzuholen, sondern die alten Strukturen wurden restauriert! Und in Hannover gab es noch immer kein politisches Zentrum. Der einzige Bereich, in dem sich der Norden hervortat, waren die Agrarreformen. Zwar bedeutete die Restauration auch hier einen herben Rückschlag, aber die Gemeinheitsteilungen wurden weiter betrieben und ab 1831 auch systematisch die Ablösungsgesetzgebung forciert. An der strukturellen Schwäche Niedersachsens änderte dies aber gar nichts.

1837 gab es dann endlich wieder einen in Hannover residierenden Herrscher. Nur war dies ein alter konservativer Mann, der keinerlei Neigung zeigte, das Land konzeptionell weiter zu führen. Abigail Greens Untersuchung zu Fatherlands zeigt, dass im Vergleich zu anderen deutschen Mittelstaaten, in Hannover die Neigung am geringsten ausgeprägt war, ein eigenes Staatsgefühl zu entwickeln. Die beiden hannoverschen Könige blieben ihren eigenen Interessen, nicht denen ihres Landes verbunden.

Damit erwies sich die Peronalunion über ihr Ende hinaus für das Land und die Stadt Hannover als eine fatale Richtungsentscheidung. Als entscheidende Folgen wären zu benennen:
- Hannover als Residenzstadt erfährt gerade in den Phasen, in denen andere Städte ausgebaut wurden, kaum Förderung und damit Weiterentwicklung.
- Das Land Hannover als „Kernland“ des späteren Niedersachsen bleibt blass, die anderen beiden größeren, aber deutlich kleineren Territorien Oldenburg und Braunschweig haben nicht nur eigene Residenzstädte, sondern verfügen über eine politische Führung, der es deutlich besser als der in Hannover gelingt, auf das Land bezogene Entwicklungspolitik zu betreiben. Insbesondere in Oldenburg, dem es nach 1803 gelingt, den katholischen Landesteil systematisch zu integrieren, zeigt, welche Chancen für ein geschickt agierendes Land damals bestanden.

Hannover entwickelt sich als Stadt dennoch im 19. Jahrhundert zur führenden Industriestadt, bemerkenswerterweise aber erst in der preußischen Zeit. Jetzt kann diese Stadt endlich ihr Potenzial entfalten, allerdings wird die hannoversche Entwicklung weiterhin nicht von einer hier beheimateten Politik unterstützt, was sich in Krisenzeiten wiederum negativ auswirkt, ganz im Gegensatz zu Bayern, wie die gerade vorgelegte Masterarbeit von Andreas Frieling belegt.

Diese strukturellen, langfristigen Verhältnisse bleiben bis heute prägend: Hannover als Landeshauptstadt agiert meist schwach, wie gerade am Abzug der Panzerdivision 1 nach Oldenburg zu sehen ist, die Regionen sind stark.

Genannte Literatur:
Gerhard Becher, Das Gefälle : internationale Arbeitsteilung und die Krise der Regionalpolitik (Braunschweig: Steinweg, 1986).
Abigail Green, Fatherlands: state-building and nationhood in nineteenth-century Germany (Cambridge [u.a.], 2001).
Carl-Hans Hauptmeyer, Geschichte Niedersachsens (München: Beck, 2009).
Gerd Steinwascher, Hrg., Von der Weimarer Republik bis zur Wiedervereinigung (Hannover: Hahn, 2010).

Donnerstag, 8. September 2011

Qualität von Wikipedia Artikeln

In letzter Zeit stelle ich wiederholt fest, dass insbesondere regionalgeschichtliche Artikel von einer grottenschlechten Qualität sind. Etwa der zu Hagenburg (http://de.wikipedia.org/wiki/Hagenburg), in dem sich vermutlich ein Herr Blazek ausgetobt hat (er zitiert sich auch in der Literatur gleich mehrfach). Was da zur Geschichte des Ortes steht, ist entweder falsch (der Ort wurde nicht im 30-jährigen Krieg verwüstet, das Schloß wurde 1689 nicht neu angelegt und Fürsten zu Schaumburg-Lippe gab es am Ende des 17. Jahrhunderts erst recht nicht) oder banal. Aber das ist nur ein Beispiel von mehreren.

Mittwoch, 7. September 2011

Vom Nutzen des Internet für transnationale Geschichte

Eigentlich haben sich Zuordnungen wie Lokalgeschichte, Nationalgeschichte oder transnationale Geschichte beinahe aufgelöst. Zumindest dann, wenn wir den historischen Akteuren folgen. Unser kleines, jetzt sich allmählich seiner Fertigstellung näherndes Projekt über die Briefe der 1858 von Niedersachsen nach Kalifornien mit ihrem Mann ausgwanderten Sophie Meinecke zeigt dies immer wieder. Sie und die uns bekannten Angehörigen ihrer Familie sind viel unterwegs, sie halten sich weder an nationale noch kontinentale Grenzen. Sie wechseln zwischen Kulturen und Räumen. Ihnen dabei zu folgen und zudem die historischen Kontexte zu rekonstruieren, ist allerdings nicht leicht. Ohne die Briefe wäre dies nicht möglich gewesen, aber auch nicht ohne die Möglichkeit des Internet. Websites wie Familysearch oder private Seiten haben uns genauso wertvolle Hilfe geleistet wie Google Books oder Archive.org. Klar, es bleiben immer noch viele Fragen, aber erstaunlich viele konnten wir online beantworten. Die Ergebnisse unserer Recherchen werden wir auf der Lernwerkstatt veröffentlichen und hoffentlich auch als Buch. 

Übrigens haben wir auch intensiven Gebrauch von Google Docs und Zotero gemacht - auch hier konnten wie unsere Arbeit besser abstimmen als dies mit traditionellen Methoden möglich gewesen wäre.

Samstag, 13. August 2011

Irmgard Wilharm (1940-2011)

Wir trauern um um unsere langjährige Kollegin Frau Prof. Dr. Irmgard Wilharm. Sie gehörte dem Historischen Seminar von 1975 bis 2006 an. Sie war nicht nur eine gute und engagierte Kollegin, sie war eine der ersten in Deutschland, die sich dem Medium Film früh zuwandte. Einige ihrer wichtigsten Aufsätze wurden 2006 aus Anlass ihrer Verabschiedung in einem von Detlef Endeward herausgegebenem Sammelband zusammengestellt: Bewegte Spuren: Studien zur Zeitgeschichte im Film. Hannover 2006.

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